Als nicht ganz schwindelfreier Künstler erscheinen mir manche der “Bretter, die (für mich) die Welt bedeuten”, durchaus gewöhnungsbedürftig – direkt suspekt sogar! So auch der “Laufsteg” dieses Gerüsts, das vor mir in den Giesinger Morgenhimmel ragt 🙂 Aber hilft ja nix! Und dicht neben dem Unbehagen ist ja auch ein erwartungsvoll kribbelnder Sack voller Vorfreude gelagert – gemischte Gefühle sozusagen – im wahrsten Sinne des Wortes… Also los geht`s auf die erste Tuchfühlung mit den Stufen und den Ebenen, auf denen ich mich die nächsten zwei Monate deutlich länger befinden werde, als im gemütlichen Dahoam. Schritt für Schritt dem Ziel ein bißchen näher… Und Belohnung ist schließlich nicht nur die weißgestrichene, wie der Gipfel eines Eisbergs neben dem Boden der letzten Etage herausragende, Giebelwandspitze, sondern auch ein phänomenaler Ausblick über die Giesinger Höhen…
Das Gerüst es steht also.
Ist auch erstmals bestiegen.
Es ist der 7.Juni 21. – Ferienende. Nach der spannend abwechslungsreichen Arbeit in den Workshops mit den so unterschiedlichen Teilnehmern der Gedankenskulpturen-Workshops, beginnt nun die konkrete Arbeit an der Wand. Die, um ganz ehrlich zu sein nicht mehr sonderlich geruhsamen freien Tage in Südtirol, die eigentlich der eigenen inneren Balance gewidmet waren, standen schon zu sehr unter den Eindrücken sich wandelnder Bildaufbauten vor dem inneren Auge, Immer wieder huschten mir Bildvarianten durch die grauen Zellen und färbten sie für blitzartig-kurze Momente grellbunt: So könnte es gehen. So aussehen. Diese Komposition könnte gelingen, so der Aufbau geschaltet werden. Dann flugs alle Gedanken wieder verworfen. Kann nicht klappen. So wäre es fad. Oder die Bilder der Teilnehmer kämen nicht gut zur Geltung. Dann, in einer Nacht bei einem Glaserl Gewürtraminer, die entscheidende Idee: Reduktion auf eine große Blume, zur spannungsgeladenen, aber gleichzeitig auch rahmenden Wirkung äußere Augenblütenblätter. Blütenmitte samt Blütenblätter in sechs Stufen angereiht. Die Farbkomposition in Regenbogenfarben changierend, um Toleranz, Frieden und Diversität als Symbol für die Werte der Lebenshilfe anklingen zu lassen. Das dabei aber nicht zu Vordergründig ausspielen, sichtbar bzw realisierbar, wenn möglich erst auf den zweiten Blick. Diese Wirkung am besten durch Farbabstufungen in den einzelnen Farbtönen erzeugen. Das nächstliegende Blatt muss für einen groben s/w-Entwurf herhalten. So könnte es kompositorisch stringent werden, dabei die Arbeiten der Teilnehmer würdig in Szene setzen und ausreichend kreativen Freiraum haben, um dabei weiterhin spontane Prozesse in der Gestaltung zuzulassen und somit, den mir so wichtigen Wildwuchs zu ermöglichen… Später zeichne ich diese grobe Skizze noch auf einen Ausdruck der Hauswandseite um die Verhältnisse zu prüfen. Das wird was!
Diese Herangehensweise ist für meine normalen Arbeitsprozess eher unüblich, weil ich zumeist ohne Skizze arbeite. Aber die Nervosität der Nächte bezüglich der kommenden Aufgabe und der vernünftigen Einbeziehung des “Public Viewing”- Aspekts meiner Serie auch in das Kunstprojekt Permanus mit den körperlich und geistig beeinträchtigten Teilnehmern hat eine solche formale Frühgeburt unverzichtbar werden lassen. So habe ich einen kompositorischen Rahmen, und vor allem ein farbliches Konzept bei der Arbeit mit den Teilnehmern an der Wand, das gleichzeitig ausdruckslose Buntheit verhindert und trotzdem gestalterische Freiheiten bei der Umsetzung lässt – wunderbar. Hoffentlich 🙂